Am 18. Oktober 2020 fand zum inzwischen zehnten Mal die Gedenkfeier am Mahnmal »Gleis 17« in Berlin-Grunewald zur Erinnerung an die erste Deportation von Berliner Juden vor 79 Jahren statt:
Dr. Axel Drecoll, Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, erinnerte in der Begrüßungsrede daran, dass die Verbrechen des NS-Regimes mitten in der Stadt vor den Augen der Bevölkerung stattfanden. Außerdem hob er in Anlehnung an Viktor Klemperer die besondere Rolle der Sprache hervor, die damals den »ersten Schritt zur Ausgrenzung und Dehumanisierung« bildete, und warnte, dass auch heute im alltäglichen Sprachgebrauch, selbst in parlamentarischen Debatten, erneut »Menschen kategorisiert, zu Feindbildern verzerrt und ihrer Würde beraubt» würden.
In seinem Grußwort betonte Ralf Wieland, Präsident des Abgeordnetenhauses von Berlin, dass Antisemitismus nicht erst mit der Tat, sondern »bereits bei entsprechendem Gedankengut, der Sprache oder der Hetze im Netz» anfängt. Aufklärung, Bildung und auch die Erinnerung an Orten wie »Gleis 17« seien »unverzichtbar« zur Prävention. Zum Abschluss forderte er alle Bürger dazu auf, sich dafür einzusetzen, »dass Berlin ein freier und demokratischer Ort bleibt«.
Uwe Neumärker, Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, las aus einem Brief von Helmuth James Graf von Moltke. Von Moltke war Mitglied der Widerstandsgruppe »Kreisauer Kreis« und schilderte in dem Brief an seine Frau u.a. auch die für alle Einwohner der Stadt deutlich sichtbaren Deportationen.
Der Akkordeonist Jossif Gofenberg begleitete die Veranstaltung musikalisch. Am Ende der Zeremonie wurden weiße Rosen am Bahnsteig niedergelegt. Das abschließende Kaddisch sprach Rabbiner Jonah Sievers.
Die Gedenkveranstaltung fand in diesem Jahr weitgehend ohne Publikum vor Ort statt und wurde stattdessen als Livestream im Internet übertragen. Die gesamte Zeremonie kann hier noch einmal nachverfolgt werden:
Hintergrund
Am 18. Oktober 1941 verließ der erste Berliner »Osttransport« mit fast 1.100 jüdischen Kindern, Frauen und Männern den Bahnhof Grunewald in Richtung Lodz (»Litzmannstadt«). Seit 2011 versammeln sich jährlich zahlreiche Menschen am Mahnmal »Gleis 17« um der Opfer zu gedenken.
Die Gedenkzeremonie am »Gleis 17« ist eine gemeinsame Veranstaltung der Ständigen Konferenz der NS-Gedenkorte im Berliner Raum, dem Land Berlin, der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, der Israelitischen Synagogen-Gemeinde (Adass Jisroel) zu Berlin, der Deutschen Bahn Stiftung und der Inge Deutschkron Stiftung.